Pistenunfälle: Die aktuellen Zahlen im Kontext
Mehrere folgenschwere Unfälle im Bereich von Pisten und Skirouten geben Anlass für die folgende Auswertung. Auffällig sind ein äußerst schneearmer Frühwinter sowie die allgemein hohe Frequenz auf Pisten in den Weihnachtsferien. Aus der alpinen Unfalldatenbank des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit (ÖKAS) geht hervor, dass die Anzahl der Verletzten (505 Personen) im Vergleich zu anderen Saisonen unterdurchschnittlich ist. Mit 13 Todesfällen ist allerdings die Anzahl der tödlich Verunfallten überdurchschnittlich. Eine weitere Auffälligkeit ergibt sich durch die insgesamt fünf tödlich Verunfallten aufgrund von Herz-Kreislauf-Versagen.
Unfallzahlen Piste/Skiroute
Im Zeitraum vom 01.11.2022 bis 03.01.2023 kamen im organisierten Skiraum in Österreich 13 Skifahrer:innen ums Leben (Mittel 10 Jahre: 7). Insgesamt wurden seit dem 1.11.2022 505 Verletzte (Mittel 10 Jahre: 709) und 217 Unverletzte (Mittel 10 Jahre: 315) registriert. Im 10-Jahresmittel verunfallten (Tote, Verletzte, Unverletzte) in diesem Zeitraum 1.030 Personen auf Pisten und Skirouten, heuer sind es 735 Personen. Im ersten Pandemie-Jahr 2020/21 verunfallten auf Pisten und Skirouten im selben Betrachtungszeitraum 94 Personen.
Unfallursachen: Sturz und Kollision sind die Hauptunfallursachen der Verletzten. Bei den Todesfällen (13) sind es Stürze mit Aufprall gegen Hindernisse (7), Herz-Kreislauf-Störungen (5) sowie Kollision (1).
Geschlecht: 66 Personen kamen im genannten Betrachtungszeitraum in den vergangenen zehn Jahren auf Pisten und Skirouten ums Leben, davon 61 Männer und 5 Frauen. Bei den Verletzten sind es 3.830 (54 %) Männer und 3.171 (45 %) Frauen (Mittel 10 Jahre). Im Wesentlichen ist auch in der laufenden Saison keine signifikante Abweichung davon festzustellen.
Herkunft: 44 % der Verletzten sind deutsche Staatsbürger:innen, 20 % Österreicher:innen und 9 % Niederländer:innen. Die Todesopfer stammen aus Deutschland (9), Niederlande (2), Dänemark (1) und Belgien (1).
Alter: 7 der insgesamt 13 Todesopfer waren unter 30 Jahre alt. Diese sieben sowie ein 47-jähriges Todesopfer sind der Unfallursache „Sturz mit Aufprall gegen Hindernis“ zuzuordnen. Die 5 Opfer über 51 Jahre sind alle aufgrund eines Herz-Kreislauf-Versagens verstorben.
Stellungnahmen
Alpinpolizei
Die Alpinpolizei ist zuständig für Unfälle im organisierten Skiraum und nimmt alle Ereignisse mit Verdacht auf Fremdverschulden (z.B. Kollision, Fahrerflucht, mangelnde Absicherung) auf. Die Einträge in der Datenbank des BM.I liefern die Grundlage für die Auswertungen des ÖKAS. Unfälle/Stürze mit Verletzung aufgrund Eigenverschulden werden nicht erhoben und grundsätzlich auch nicht in der Alpinunfalldatenbank erfasst. Die Schwierigkeit für die Erhebungsbeamten besteht darin, möglichst zeitnah an den Unfallort zu gelangen um vorhandene Spuren und/oder Hinweise zum Unfallhergang feststellen zu können. Gerade die Spurensicherung ist auf stark frequentierten Abfahrten nur sehr schwer möglich, da die nachkommenden Skifahrer diese sehr schnell wieder zerstören. Die Absicherung der Unfallstelle mehrere Meter oberhalb der Unfallstellen durch Beteiligte und die Pistenrettung ist nicht nur für die Rettungsteams sondern auch für die Erhebungstätigkeit von großem Vorteil. Auch Lichtbilder von Beteiligten und Zeugen können für die Klärung von Unfällen der Ausforschung von fahrerflüchtigen Schifahrern und Snowboardern hilfreich sein. Nach der Einvernahme der Beteiligten und Zeugen wird das Ergebnis der Unfallerhebung in einem Abschlussbericht der zuständigen Staatsanwaltschaft berichtet. Die Alpinpolizei lässt sich auf keine persönlichen Beurteilungen oder Schuldzuweisungen ein. Auf Grund des großen Arbeitsanfalles während der Wintermonate erfolgt die statistische Erfassung von Unfällen bei Todesfolge grundsätzlich innerhalb von 24 Stunden. Alle anderen Unfälle werden innerhalb einer Arbeitswoche statistisch erfasst.
Österreichischer Bergrettungsdienst (ÖBRD)
Zweck des Österreichischen Bergrettungsdienstes (ÖBRD) ist es, ohne Ansehen der Art oder des Verschuldens der Notlage insbesondere im unwegsamen, alpinen Gelände Verunglückten, Vermissten, Erkrankten oder sonst in Not Geratenen zu helfen, sie zu suchen, zu versorgen, zu bergen und abzutransportieren. Dieser Aufgabe gehen die freiwilligen Bergretter:innen auch in zahlreichen Skigebieten nach. Die Aufgaben liegen im Bereich der Erstversorgung sowie dem Abtransport aus dem unwegsamem Gelände. Der ÖBRD agiert grundsätzlich als bodengebundener Rettungsdienst. Da erfolgreiche Rettungs- und Bergeaktionen meist ein Zusammenspiel mehrerer Organisationen bedürfen, ist die Vernetzung mit Partnerorganisationen wesentlich, um Notfallsituationen, je nach Kompetenz gemeinschaftlich zu lösen.
ÖAMTC Flugrettung
Die Flugrettung übernimmt Notfallversorgung und Abtransport von verunfallten Personen mit entsprechendem Verletzungsgrad. Laut Jochen Tiefengraber, dem stellvertretendem Flugbetriebsleiter des Christophorus Flugrettungsvereins, liegen die Einsatzzahlen nicht wesentlich über dem langjährigen Durchschnitt. Wie in allen Wintern mit geringer Schneelage sind allerdings vermehrt Einsätze mit schweren Verletzungen zu leisten.
„Durch den fehlenden Schnee abseits der Pisten gibt es bei Unfällen mit höheren Geschwindigkeiten Verletzungsmuster, welche durchaus mit Motorradunfällen im Sommer zu vergleichen sind – allerdings ohne Schutzausrüstung.“ (Jochen Tiefengraber, Stützpunktleiter C1).
Österreichischer Skiverband (ÖSV)
In vielen Skigebieten Österreichs sind nennenswerte Mengen an Neuschnee bis dato ausgeblieben bzw. durch die warmen Temperaturen bereits geschmolzen. Das führt zu teils eisigen Pisten und zu aperen Bereichen außerhalb der Pisten. Unter diesen Bedingungen besteht ein erhöhtes Risiko, sich bei einem Sturz schwer zu verletzen, insbesondere wenn man dabei über den Pistenrand hinaus gerät.
Zusammenfassung – Tipps ÖKAS & Partner
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Bedingungen für Wintersportler:innen bis zum nächsten nennenswerten Schneefallereignis anspruchsvoll bleiben. Der Österreichische Skiverband gibt dazu folgende Tipps:
- Angepasst fahren: Die Geschwindigkeit entsprechend den Bedingungen (stark) reduzieren, Abstand zu Hindernissen und anderen Pistenbenützern halten.
- Material checken: Kanten schleifen und Skibindung im Fachhandel einstellen lassen, auf der Piste Helm tragen
- Aufwärmen: Vor der ersten Abfahrt und nach jeder längeren Pause, das aktiviert nicht nur den Körper, sondern auch die Sinne
- Pausen machen: Wer sich überanstrengt, ermüdet und macht Fehler.
- FIS-Regeln einhalten: Die FIS-Verhaltensregeln ordnen das Miteinander auf der Piste.
- Eigenkönnen verbessern: Ein zentraler Faktor in der Unfallvermeidung ist eine solide Fahrtechnik. ÖSV-Instruktoren und Skilehrer sind darin ausgebildet, Fehler in der Ski- bzw. Snowboardtechnik zu erkennen und helfen, diese zu beheben.
„Passt die Fahrgeschwindigkeit dem eigenen Können und den Verhältnissen an. Denkt daran, dass sowohl eure Fitness, als auch die Pistenverhältnisse im Laufe des Tages schlechter werden.“
— Martin Loitlesberger, Alpinpolizist
„Bei Ermüdung oder sehr anspruchsvollen Pistenverhältnissen, die letzte Talabfahrt mit der Bahn anzutreten.“
— Jochen Tiefengraber, Stützpunktleiter C1
„Speichern Sie sich zum allgemeinen Alpin-Notruf 140 im Handy die Nummer der Pistenrettung im Skigebiet ein. Ortskunde im Schigebiet ist zur Notfallortbeschreibung ebenfalls sehr wichtig.“
— Martin Gurdet, Geschäftsführer ÖBRD
Weiterführende Links & Publikationen:
- Bilder in Druckqualität als Download
- Pressebeitrag als PDF
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FIS-Verhaltensregeln des ÖSV – Österreichischer Skiverband (oesv.at)
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Kontakte für Experteninterviews:
Peter Paal – Präsident ÖKAS
peter.paal@alpinesicherheit.at
Matthias Knaus – Geschäftsführung ÖKAS matthias.knaus@alpinesicherheit.at, +43 512 365451Martin Gurdet – Geschäftsführung Bergrettungsdienst Österreich office@bergrettung.at, +43 1 251 1919 140
Tomas Woldrich – ÖSV Verbandsentwicklung & Sportkoordination office@oesv.at, +43 512 33501-21
Jochen Tiefengrabner – ÖAMTC Flugrettung
Jochen.Tiefengraber@oeamtc.atMartin Loitlesberger – Alpiner Ausbildungsleiter BM.I martin.loitlesberger@bmi.gv.at, +43 1 53126 3840
Kontakt Statistik:
Susanna Mitterer – Statistik ÖKAS
susanna.mitterer@alpinesicherheit.at, +43 512 365451-13
Erläuterungen zur Datengrundlage
Die Auswertungen basieren auf den erhobenen Daten der Alpinpolizei, welche sämtliche gemeldete Unfallereignisse im alpinen Gelände unabhängig vom Verletzungsgrad erhebt. Im organisierten Skiraum, also im Bereich der Skipisten und Skirouten werden die Unfälle nur dann erhoben, wenn Verdacht auf Fremdverschulden besteht oder der Unfall für einen der Beteiligten tödlich endet. Die vorliegenden Auswertungen spiegeln die Unfallzahlen zum Abfragezeitpunkt wider und geben keine Garantie auf Vollständigkeit. Einträge in der Alpinunfalldatenbank können auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.
Die Unfallfolge „verletzt“ umfasst: leicht verletzt, schwer verletzt, unbekannt, Verletzung unbestimmten Grades, lebensbedrohlich verletzt, sonstiges.
Quelle: Alpine Unfalldatenbank – Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit / BMI Alpinpolizei
Betrachtungszeitraum: 01.11.2022 bis 03.01.2023
Mittel 10 Jahre (gerundet): 2013/14 bis 2022/23 (jeweils 01.11. bis 03.01.)
Abfragedatum Datenbank: 04.01.2023 / 09:00 Uhr