Zahlen, Daten, Fakten des Christophorus 1 in Innsbruck
Als Bergsteiger hat man die Gewissheit, im Notfall rasch geborgen und medizinisch versorgt zu werden. Bei der Bergung und Versorgung von verletzten oder erschöpften Bergsteigern ist der Notarzthubschrauber in der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken. Nicht immer ist es den Hubschrauberbesatzungen jedoch möglich, direkt zum Verletzten zu kommen. Im Interview mit dem Piloten und Stützpunktleiter Jochen Tiefengraber erfahren wir mehr über das richtige Verhalten bei einem Hubschraubereinsatz.
Autoren: ÖKAS und Interview Jochen Tiefengraber, Pilot und Stützpunktleiter des Christophorus 1 in Innsbruck; Titel: Hubschrauberbergung © ÖAMTC | ÖKAS
Jochen, wenn ich in eine alpine Notlage komme, wie mache ich den Hubschrauber am besten auf mich aufmerksam?
Mit den Händen nach schräg oben ein Y anzeigen markiert für uns schon aus einiger Entfernung den richtigen Einsatzort. Aber auch das Winken mit Bekleidungsstücken oder ähnlichem wird aus der Entfernung gut wahrgenommen. Zum Verhalten beim Eintreffen des Hubschraubers haben wir unsere „Sechs goldenen Regeln“ entwickelt.
Abbildungen: Die 6 goldenen Regeln der Hubschraubereinweisung © ÖAMTC
Was empfiehlst du dem Anrufer nach Verständigung des Hubschraubers?
Wir können aus dem Hubschrauber direkt mit dem Melder telefonieren, daher ist es im Fall eines Unfalles für uns wichtig, dass der Melder am Telefon erreichbar ist und sich bei Annäherung des Hubschraubers auch bemerkbar macht. Wir haben immer wieder unnötige Suchflüge weil sich Verunfallte nicht bemerkbar machen.
Ab wann darf man den Hubschrauber denn alarmieren?
Die immer wieder auftauchenden Geschichten, dass in Tirol Notarzthubschrauber zu „verstauchten Daumen“ fliegen, fallen in den Bereich der viralen Gerüchte.
Sämtliche Notarzthubschrauber werden in Tirol ausschließlich von der Leitstelle Tirol nach einem vorgegebenen Alarmierungsschema disponiert. In diesem Schema werden je nach Verletzungsgrad, Erreichbarkeit des Patienten und Verfügbarkeit von Rettungsmitteln immer die geeigneten, schnellsteintreffenden Rettungsmittel alarmiert.
”Die immer wieder auftauchenden Geschichten, dass in Tirol Notarzthubschrauber zu „verstauchten Daumen“ fliegen, fallen in den Bereich der viralen Gerüchte.
Jochen Tiefengraber - Hubschrauberbergung
Abbildung: Richtige Einweisung Hubschrauber © ÖAMTC | ÖKAS
Wenn ihr nicht in unmittelbarer Nähe des Patienten landen könnt, führt ihr eine so genannte Taubergung durch. Wie läuft diese ab?
Dabei werden Flugretter und Notarzt von einem Zwischenlandeplatz am Bergetau zur Unfallstelle geflogen, maximal möglich sind Taulängen bis zu 140 Meter. Je nach Verletzung wird der Verunfallte dann entweder sitzend in einem Bergedreieck oder liegend im Bergesack am Tau zum Zwischenlandeplatz transportiert, dort dann in den Hubschrauber verladen und in das nächste geeignete Krankenhaus geflogen.
Wann ist ein Fliegen unmöglich?
Außer bei Nebel und Gewitter können wir bei jedem Wetter fliegen. Schneefall behindert uns nur dann, wenn er die Sicht zu sehr einschränkt. Wind oder der Föhn machen das Fliegen zwar etwas beschwerlicher, behindern uns in der Einsatzabwicklung aber nur sehr selten. Da kann es dann notwendig sein, dass wir nicht direkt am Notfallort landen und eventuell einen Zwischentransport mit der Bergrettung organisieren müssen.
Wieviele Notarzthubschrauber gibt es in Tirol und wann wird geflogen?
Der Christophorus 1 ist einer von neun Notarzthubschraubern im Sommer und dreizehn Notarzthubschraubern im Winter in Tirol. Seit 1. Juli 1983 ist der Christophorus 1 durchgehend 365 Tage im Jahr im Dienst. Im Winter von Tagesbeginn bis Nachtbeginn, im Sommer von 06:00 Uhr morgens bis 21:30 Uhr abends. Damit sind wir nicht nur der Hubschrauber mit der längsten Historie sondern auch immer noch der Notarzthubschrauber mit den längsten Tagesdienstzeiten in Tirol.
Und wieviele Einsätze habt ihr jährlich?
Wir absolvieren jährlich zwischen 750 und 900 Einsätze. Der größte Teil davon, knapp 40 % werden als so genannte „Sport und Freizeitunfälle im alpinen Gelände“ eingestuft. Die nächsthäufigsten Alarmierungsgründe sind interne und neurologische Notfälle mit zusammen 30 %. Die restlichen 30 % verteilen sich auf Verkehrs-, Arbeits-, Haushaltsunfälle und sonstige Notfälle.
Abbildungen: Hubschrauberbergungen © ÖAMTC | ÖKAS
Die fast wichtigste Frage: was kostet die Bergung mit dem Hubschrauber?
Sport und Freizeitunfälle im alpinen Gelände werden als einzige Einsatzkategorie auch direkt mit dem Patienten bzw. mit der privaten Unfallversicherung des Patienten abgerechnet. Knapp die Hälfte dieser Unfälle passiert beim Wintersport auf unseren Skipisten, aber natürlich zählen auch Wanderer, Mountainbiker, Rodler und die Skitourengeher zu unserer Kundschaft. Interessant ist auch, dass 40 % der im alpinen Gelände Verunfallten aus Deutschland und ca. 35 % aus Österreich kommen.
Der Flugminutenpreis liegt derzeit bei ca. 90,- Euro, die durchschnittliche Flugzeit pro Einsatz etwas über 30 Min. Somit kostet ein Einsatz im Schnitt ca. 3.000,- Euro, das kann aber natürlich bei entsprechendem Aufwand auch ein Vielfaches davon sein, wenn z. B. bei einem Lawinenunglück mehrere Hubschrauber über viele Stunden im Einsatz sind.
Welche medizinische Ausrüstung habt ihr im Hubschrauber dabei?
Nachdem wir bei der Ausstattung unserer Hubschrauber auf jedes Kilo achten, richtet sich die medizinische Ausrüstung unseres Hubschraubers natürlich nach dem Leitsatz: „So viel wie notwendig aber so wenig und so leicht wie möglich“. Wir haben für das gesamte medizinische Material drei Rucksäcke, je einen für medizinische Grundausstattung, Beatmung und medizinisches Sonderzubehör. Zusätzlich führen wir noch ein Beatmungsgerät sowie ein Multifunktionsgerät zur Überwachung von Kreislauf, Blutdruck, Sauerstoff- und Kohlenstoffdioxidsättigung und Wiederbelebung mit. Damit können unsere Notärzte und Notärztinnen vom Säugling bis zum Greis alle Notfälle behandeln.
Wie sieht die Laufbahn eines Notarzthubschrauberpiloten aus?
„Notarzthubschrauberpilot“ ist kein Lehrberuf, somit sind wir auf Piloten angewiesen, welche in vergleichbaren Gebieten schon ausreichend Erfahrung in verschiedenen Bereichen gesammelt haben. Unsere Piloten haben beim Eintritt in die Firma eine Vorerfahrung von ca. 10 Jahren oder mindestens 2.000 Flugstunden sowie einschlägige Erfahrung im Hochgebirge, im Fliegen mit Außenlasten und Nachtflug.
Unsere speziellen Bergeverfahren sowie der Nachtflug mit „Night Vision Goggles“ werden dann firmenintern geschult und trainiert. Alle unsere Stützpunkte sind seit 2017 mit so genannten „Night Vision Goggles“, also Nachtsichtgeräten auf der Basis der Restlichtverstärkung ausgerüstet. Diese Nachtsichtgeräte kommen bei allen Einsätzen nach Einbruch der Dunkelheit zum Einsatz und stehen für Pilot, Flugretter und auch Notarzt zur Verfügung.
Die Notärzte und Notärztinnen des Christophorus 1 kommen fast ausschließlich von der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin der Universitätsklinik Innsbruck. Alle haben eine überdurchschnittliche alpine Qualifikation, so befinden sich auch einige Bergführer und Hochalpinisten unter unserem medizinischen Personal. Eine Hubschraubercrew besteht aus Pilot, Notarzt und Flugretter.
Wie darf man sich die Ausbildung eines Flugretters vorstellen?
Die zehn Flugretter des Christophorus 1 kommen aus verschiedenen Berufsgruppen und wechseln sich im Dienstplan täglich ab. Alle Flugretter verfügen über eine Ausbildung zum Notfallsanitäter sowie einer abgeschlossenen Bergrettungsausbildung.
In den Verantwortungsbereich der Flugretter fallen die Unterstützung des Piloten im Cockpit bei der Navigation und der Kommunikation mit den Leitstellen, den Skigebieten und den Einsatzkräften vor Ort sowie die Unterstützung der Notärzte/Innen bei der Versorgung der Patienten. Sollten bei dem Einsatz alpine Bergeverfahren notwendig sein, so ist der Flugretter für die Durchführung dieser Verfahren hauptverantwortlich.