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System Klettern Standplatz Sauschwanz I ÖKAS

Zwei tödliche Kletterunfälle mit Sauschwänzen – Stephan Binder und Andreas Würtele berichten über Geschehnisse an Peilstein und Martinswand und geben Anlass darüber zu informieren, was bei der Verwendung von Sauschwänzen besonders zu beachten ist.

Man findet den sogenannten “Sauschwanz” vor allem in Sportklettergärten. Fehlhandhabungen mit ihm können fatale Folgen haben und bereits einige schwere – auch tödliche – Unfälle ereigneten sich in der Vergangenheit. Im Austausch mit Stephan Binder von der Alpinpolizei erhielten wir Informationen zu einem Kletterunfall am Peilstein, der unmittelbar Gedanken an einen sich bereits vor Jahren zugetragenen Absturz an der Martinswand ergab. Andreas Würtele untersuchte den Unfall damals und ergänzt den vorliegenden Artikel mit seiner Expertenmeinung als Sachverständiger und Routenbauer.

Abseilunfall am Peilstein

Am 28. Mai 2022 stiegen zwei befreundete Kletterer im Klettergebiet Peilstein, im Bereich Kleiner Zinnenkessel, in die Route Hahnenkamm (UIAA III, 30 m) ein. Sie kletterten über den Grat vor bis zum Standplatz der benachbarten Route und sicherten sich dort jeweils mit einer Bandschlinge und einem Schraubkarabiner. Der Standplatz bestand aus zwei normierten Klebehaken, die mit einer Kette verbunden sind. Am unteren Haken (und mit der Kette verbunden) war zusätzlich ein sogenannter Sauschwanz, eine zum Felsen hin offen eingedrehte Vorrichtung – die für das Sichern und Ablassen von Kletterern im Toprope dient – dauerhaft eingehängt.

Nachdem das Seil zum Abseilen bereit korrekt eingehängt, und das Abseilen des ersten Kletterers vorbereitet war, bewegte sich dieser vom Grat in die Abseilposition. Bei diesem Manöver löste sich das Seil aus dem Sauschwanz und nachdem die Selbstsicherung bereits ausgehängt war, stürzte er ab.

Übersichtsbilder Peilstein. Details durch Klick auf das einzelne Bild.

Bilder aus der Route und vom Standplatz. Details durch Klick auf das einzelne Bild.

Die Konsequenz

Die Folge des Absturzes war der unmittelbare Tod des Kletterers. Trotz rascher Wiederbelebungsmaßnahmen anderer Kletterer konnte das nur kurze Zeit später eintreffende Notarztteam nur noch den Tod des Verunfallten feststellen.

Parallele

Vor einigen Jahren ereignete sich an der Martinswand bei Innsbruck ein ähnlicher Unfall. Die Ursachenforschung ergab, dass bei der Verwendung von Sauschwänzen gewisse Sicherheitsrisiken bestehen. Der an sich als Umlenkhaken konzipierte Sauschwanz ist ein nach oben hin offenes System und verlangt korrektes Einlegen des Seils sowie die nachfolgende Belastung nach unten. Wird das Seil über den Sauschwanz nach oben bewegt, kann es dadurch ausgehängt werden. Insbesondere wenn der Standplatz mit Sauschwanz unterhalb des Anseilpunkts des Kletterers positioniert ist, muss diese Gefahr beachtet werden.

Verschiedene Fehlerquellen und das Aushängen des Seils beim System Sauschwanz.

Fachlicher Hintergrund

Das System Sauschwanz

Der Sauschwanz wird in vielen Klettergärten als Umlenkpunkt verwendet.

Sicherheitshinweise und Anwendungstipps für Kletterer:innen

Sauschwänze sind vorwiegend als Umlenkung in Klettergärten oder – immer seltener – bei Abseilpisten installiert. Folgende Sicherheitshinweise und Anwendungstipps sind von Anwender:innen zu beachten:

  • Vermeiden, dass der Anseilpunkt höher liegt als der Sauschwanz.
  • Selbstsicherung direkt im Bohrhaken anbringen und bei ungünstiger Position verlängern, sodass der Anseilpunkt tiefer liegt.
  • Das Seil zusätzlich mit einer Expressschlinge im Bohrhaken sichern, und diese erst aushängen wenn die finale Abseilposition eingenommen ist.
  • Beim Partnercheck auf den Seilverlauf sowie auf die korrekte Belastung achten.
  • Im Nachstieg vor Erreichen der Standplatzhöhe die Kletterei beenden.
  • Die alleinige Verwendung als Toprope-Sicherung ausschließen, ggf. Redundanz in der letzten darunterliegenden Zwischensicherung schaffen.
  • Bei mehrmaliger Verwendung für Toprope-Sicherung eigenen, verschlussgesicherten Karabiner verwenden.
  • Abnützungserscheinungen beachten – diese treten v.a. durch häufiges Toprope-Klettern schneller auf und führen zu Abscheuern und Schwächung des Materials. Dieser Hinweis gilt allgemein.

Redundante Systeme. Details durch Klick auf das einzelne Bild.

Informationen und sicherheitsrelevante Hinweise für Routenbauer:innen:
  • Umlenkpunkte in Klettergärten so positionieren, dass diese nicht oder nur unangenehm überklettert werden können.
  • Bei Standplätzen fürs Abseilen die Position so wählen, dass unterhalb der Umlenkung Platz für mindestens zwei Personen ist und deren gedachter Körperschwerpunkt deutlich unterhalb der installierten Umlenkung liegt (ca. 1,5 bis 1,8 m über den Füßen).
  • Wie jeder Standplatz sollte auch der Abseilstand aus mindestens zwei Fixpunkten bestehen, aufgrund der höheren Materialfestigkeit aus Edelstahl.
  • Werden diese Punkte beachtet, spricht grundsätzlich nichts gegen offene Systeme.
  • Einfache Stahlschnapper sind als Umlenkpunkte in Klettergärten dem Standard. Verschlusskarabiner haben sich als nicht praxistauglich erwiesen, da sie sich, bedingt durch äußere Einflüsse, meist schnell nicht mehr öffnen oder schließen lassen.

„Der Sauschwanz per se ist nicht gefährlich. Das Klettern draußen unterscheidet sich zu jenem in der Kletterhalle. Der richtige Umgang mit der Infrastruktur gehört eindeutig in den Bereich der Eigenverantwortung. Entsprechende Ausbildungen - wie sie von alpinen Vereinen, Alpinschulen oder Bergführer:innen angeboten werden - helfen, Risiken zu erkennen und Unfälle zu vermeiden."

— Andreas Würtele

Dieser Beitrag entstand durch offenen Austausch und anregende Diskussionen. Herzlichen Dank an Stephan Binder und Andreas Würtele dafür. Birgit Graf und Stephan Binder ermöglichen uns detaillierte Einblicke durch die Bereitstellung von Bildmaterial sowie durch ihre Tätigkeiten bei der Unfallaufnahme.

Über die Autoren

Stephan Binder | BM.I, Alpinpolizist, Flugretter, Berg- & Skiführer, Sachverständiger für Alpinistik und 1. Vorsitzender des Berg- und Skiführerverbandes Niederösterreich/Wien.

Birgit Graf | BM.I, Alpinpolizistin der AEG Niederösterreich Süd, ausgebildete Hochalpinistin.

Andreas Würtele | Sachverständiger für Alpinistik, alpine Freizeit- und Sportunfälle sowie für Sicherheitseinrichtungen am Berg und alpinen (Berg-)Wander-Wegebau, Sachkundiger für PSA im Bergsport, Mitglied im Bundeslehrteam des Alpenvereins und in der Sportkletterlehrer-Ausbildung des Tiroler Bergsportführerverbandes.