Das Skitourengehen entwickelte sich in den vergangenen Jahren zu einer immer beliebter werdenden Trendsportart. Eine Wachstumsrate von 15 bis 20 % bei den Absatzzahlen für Skitourenausrüstung im Sporthandel, hinzukommend eine verstärkte Nachfrage nach Skitourenausrüstung im Vergleich zu Snowboard- oder Langlaufausrüstung, bestätigen die subjektive Wahrnehmung zunehmender Skitourensportler auf den Bergen und Pisten.
Autor: Sarah Markt, Juristin und ehemalige Mitarbeiterin ÖKAS; Titel: Pinbindung © DYNAFIT
Einhergehend mit einer steigenden Zahl an Sportlern im alpinen Gelände sowie auf den Skipisten ist auch die Zahl der Verunfallten. Bei den immer beliebter werdenden Skitouren auf der Piste passieren zahlreiche solcher Unfälle. Durch diesen starken Trend zu Pistenskitouren und den daraus resultierenden erhöhten Unfallzahlen rückt die Haftungsfrage bei einem Unfall mit einem Pistenskitourengeher verstärkt in den Vordergrund.
Potentielle Haftpflicht
Die Haftungsfrage ist nicht immer auf den ersten Blick klar zu beantworten. Es kommen dabei grundsätzlich drei potentiell Haftpflichtige in Frage:
- Zunächst der Betreiber des Skigebiets,
- zweitens bei einer Kollision der andere Sportler
- und letztens kann jeweils auch ein (Mit-)Verschulden des Skitourengehers selbst vorliegen.
ad) Betreiber des Skigebiets
A) Vertrag
B) Wegehaftung
C) Gehilfen- oder Leutehaftung in diesen Fällen
- Einerseits ergibt sich für den Pistenhalter bei einem Vertragsverhältnis gegenüber dem Vertragspartner die Gehilfenhaftung nach § 1313a ABGB.
- Andererseits haftet er zusätzlich auch gegenüber allen anderen rechtmäßigen Benützern nach § 1319a Abs 1 Satz 1 ABGB, der eine Haftung des Wegehalters bei schuldhafter Herbeiführung seiner Leute normiert.
Die Gehilfenhaftung des § 1313a ABGB kommt vor allem bei vertraglichen Verhältnissen zwischen Unternehmer und Geschädigtem zur Anwendung. Der Pistenhalter haftet dabei für Delikte, die der Gehilfe innerhalb des vom Unternehmer vertraglich übernommenen Pflichtenkreises übernommen hat.
Die Leutehaftung im Fall der Wegehalterhaftung stellt eine juristische Besonderheit bei den deliktischen Schadenersatzansprüchen dar. Abs 3 des
§ 1319a ABGB normiert eine Haftung des Halters für jedes vorsätzliche oder grob fahrlässige Handeln seiner Gehilfen – die „Leute des Haftpflichtigen“. Meist werden die Leute des Wegehalters dessen Mitarbeiter sein, also Angestellte oder Arbeiter sowie freie Dienstnehmer. Der dem Wegehalter zurechenbare Leutekreis endet bei Unternehmen mit eigenem Verantwortungsbereich, die Aufgaben für den Halter übernehmen.
Abbildungen: Pistentourengehen © Sarah Markt; © Frank Stolle, Markus Jenewein - Tirol Werbung
ad) Andere Sportler
Aus juristischer Sicht haben Unfälle durch Kollisionen zwischen Sportlern auf der Skipiste eine große Bedeutung, machen sie doch den überwiegenden Anteil der gerichtlichen Entscheidungen im Skisport aus. Besondere Schwierigkeiten bereiten hierbei, neben dem Schaden und der Kausalität, die Rechtswidrigkeit und die Schuldhaftigkeit als dritte und vierte Voraussetzung für die Entstehung eines Schadenersatzanspruches. Um diese beiden Erfordernisse zu prüfen, benötigt es an die Skifahrer/ Skitourengeher gerichtete Verhaltensanforderungen, anhand derer ein mögliches Abgehen festgestellt werden kann. Ein eigenes Gesetz für den Verkehr auf der Piste existiert bislang nicht, regionale Pistenverordnungen kommen aufgrund ihrer gesetzlichen Anfechtbarkeit nicht in Frage und geben somit auch keine Antwort auf die Frage, an welchem objektiven Sorgfaltsmaßstab die Rechtswidrigkeit des Verhaltens gemessen werden kann.
Die gebotenen Verhaltensweisen sind, mangels eigenem Gesetz, anhand der vom Rechtsausschuss der FIS erlassenen FIS-Regeln zu erörtern. Diese sind weder Gewohnheitsrecht noch gesatzte Regeln, sondern konkretisieren und bündeln die einzuhaltenden Sorgfaltsmaßstäbe für Skifahrer. Auch nach der Rechtsprechung des OGH haben diese Sportregeln zwar keine Rechtsnormen-Qualität, gelten aber als Zusammenfassung der Sorgfaltspflichten beim Skisport und sind als solche von den Sportlern zu beachten. Ein
- kontrolliertes Auf-Sicht-Fahren,
- Vorrangregeln, um einen geregelten Verkehrsfluss zu gewährleisten,
- sowie eine Ausweis- und Hilfeleistungspflicht
sind u. a. Inhalt der FIS-Regeln. Für den anderen Sportler bedeutet dies vor allem die Sicherstellung der Möglichkeit, vor dem Tourengeher rechtzeitig stehenzubleiben.
”Durch ein vernünftiges, wachsames Miteinander von Pistentourengehern, Pistenbetreibern und anderen Sportlern kann eine beträchtliche Anzahl an Unfällen und Haftungsfällen vermieden werden.
Sarah Markt, Juristin und ehemalige Mitarbeiterin ÖKAS
Abbildung: Pinbindung © DYNAFIT
ad) (Mit-)Verschulden des Skitourengehers
Der Pistentourengeher kann auch selbst als Haftpflichtiger herangezogen werden,
- entweder zur Gänze, wenn ihn das alleinige Verschulden trifft,
- oder nur teilweise beim Vorliegen von Mitverantwortlichkeit.
Die Ersatzpflicht des Schädigers ist daher bei vorwerfbarem Fehlverhalten des Pistentourengehers jedenfalls zu verringern.
Für den Skitourengeher gelten die bereits erwähnten FIS-Regeln gleichermaßen. Nach Regel 6 und 7 hat der Tourengeher:
- Beim Aufstieg möglichst den Pistenrand zu nutzen.
- Für Abfahrer schlecht einsehbare Stellen sind vom Skitourengeher generell zu meiden.
- Das Queren der Piste sollte nur wenn unbedingt nötig und dabei möglichst rasch stattfinden,
- zwischen den Aufsteigern ist jeweils genügend Abstand zu halten.
- Das Aufsteigen nebeneinander könnte als Verstoß gegen Regel 7 subsumiert werden und ist daher zu vermeiden.
Ein Verstoß gegen die FIS-Regeln kann bei grobem Fehlverhalten vom Skitourengeher zu einem Haftungsausschluss des Schädigers sowie allenfalls zu einer Haftungsteilung führen.
Neben den FIS-Regeln existieren für Pistenskitourengeher daran angelehnte Sorgfaltspflichten, die vom ÖAV und dem ÖKAS erarbeitet wurden und die vom Tourengeher gebotenen Verhaltensweisen konkretisieren. Die Missachtung dieser Maßstäbe führt wieder zu einer Mithaftung des Pistentourengehers und einer daraus folgenden Schadensaufteilung.
Resümee
Eine wichtige Feststellung dieses Beitrages ist, dass Pistentourengeher für die Betreiber von Skigebieten eine zusätzliche haftungsrechtliche Belastung darstellen. Durch eine Vielzahl an möglichen Konfliktpunkten ist die Unfallgefahr erhöht, die potentiellen Haftungsfälle für den Betreiber steigen.
Zur Unfallprävention, und das wäre auch Teil der Intention aller oft lautstark geforderten Gesetze, würde meiner Ansicht nach eine weitreichende Aufklärung über ein wachsames und verantwortungsbewusstes Benehmen auf der Skipiste am meisten beitragen. Weit weniger effektiv schätze ich starre Gesetzesregelungen für Pistentourengeher ein, die lediglich zur einer Kriminalisierung des Bergsports führen. Eine nachhaltige Bewusstseinsbildung auf die Eigenverantwortlichkeit am Berg und auf der Piste würde da vielleicht weit mehr Anklang finden und ebenso zur Vermeidung von Unfällen und Konflikten beitragen.
Eine wichtige Feststellung dieses Beitrages ist, dass Pistentourengeher für die Betreiber von Skigebieten eine zusätzliche haftungsrechtliche Belastung darstellen. Durch eine Vielzahl an möglichen Konfliktpunkten ist die Unfallgefahr erhöht, die potentiellen Haftungsfälle für den Betreiber steigen.
Zur Unfallprävention, und das wäre auch Teil der Intention aller oft lautstark geforderten Gesetze, würde meiner Ansicht nach eine weitreichende Aufklärung über ein wachsames und verantwortungsbewusstes Benehmen auf der Skipiste am meisten beitragen. Weit weniger effektiv schätze ich starre Gesetzesregelungen für Pistentourengeher ein, die lediglich zur einer Kriminalisierung des Bergsports führen. Eine nachhaltige Bewusstseinsbildung auf die Eigenverantwortlichkeit am Berg und auf der Piste würde da vielleicht weit mehr Anklang finden und ebenso zur Vermeidung von Unfällen und Konflikten beitragen.