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Pinbindung © DYNAFIT
Für den Skitourengeher gelten die FIS-Regeln gleichermaßen wie für den Skifahrer, ihnen kommt beim Pistentourengehen sogar ein durchaus hoher Stellenwert zu. Die entscheidenden Grundsätze behandeln sie jedoch nicht im selben Umfang wie der Pistenordnungsentwurf – kurz POE, der 1976 vom heutigen ÖKAS ausgearbeitet wurde. Dieser entstand mit derselben Intention, nämlich noch mehr Sicherheit beim Skifahren zu gewähren und trotzdem einer Kriminalisierung des Bergsports entgegenzuwirken.
Autor: Sarah Markt, Juristin und ehemalige Mitarbeiterin ÖKAS; Titel: Pinbindung © DYNAFIT

Der Pistenordnungsentwurf, kurz POE, sollte ursprünglich im Gesetzesrang gehoben werden, bisher ist es allerdings beim Entwurf geblieben. Trotzdem wird in einigen gerichtlichen Entscheidungen die Vorwerfbarkeit eines Verhaltens anhand des Pistenordnungsentwurfes gemessen.

Die FIS-Regeln sind da schon wesentlich geläufiger und international anerkannt. Beide Regelungskataloge stimmen in den Grundsätzen miteinander überein und stehen in keinerlei Widerspruch zueinander. Eine überspannte Bewertung der über die FIS-Regeln hinausgehenden, im POE statuierten, weiterführenden Pflichten würde nichtsdestotrotz in die falsche Richtung gehen und vermehrt zu einer Kriminalisierung des Bergsports führen – eine Tendenz, die vermutlich von keinem der Experten der alpinen Vereine und Verbände gewünscht ist.

Die FIS-Regeln

Besonders auf Skipisten haben Unfälle durch Kollisionen zwischen Sportlern aus juristischer Sicht eine große Bedeutung, machen sie doch den überwiegenden Anteil der gerichtlichen Entscheidungen im Skisport aus. Für die Haftung der am Unfall beteiligten Skifahrer und/ oder Skitourengeher sind die allgemeinen Anforderungen zur deliktischen Haftung heranzuziehen. Besondere Schwierigkeiten bereiten hierbei, neben dem Schaden und der Kausalität, die Rechtswidrigkeit und die Schuldhaftigkeit als dritte und vierte Voraussetzung zur Entstehung eines Schadenersatzanspruches. Um diese beiden Erfordernisse zu prüfen, benötigt es an die Skifahrer / Skitourengeher gerichtete Verhaltensanforderungen, anhand derer ein mögliches Abgehen festgestellt werden kann.

Ein eigenes Gesetz für den Verkehr auf der Piste existiert bislang nicht, regionale Pistenverordnungen kommen aufgrund ihrer gesetzlichen Anfechtbarkeit nicht in Frage und geben somit auch keine Antwort auf die Frage, an welchem objektiven Sorgfaltsmaßstab die Rechtswidrigkeit des Verhaltens gemessen werden kann.

Die gebotenen Verhaltensweisen sind mangels eigenem Gesetz anhand der vom Rechtsausschuss der FIS erlassenen FIS-Regeln zu erörtern.

Diese sind weder Gewohnheitsrecht noch gesatzte Regeln, sondern konkretisieren und bündeln die einzuhaltenden Sorgfaltsmaßstäbe für Skifahrer. Auch nach der Rsp. des OGH haben diese Sportregeln zwar keine Rechtsnormen-Qualität, gelten aber als Zusammenfassung der Sorgfaltspflichten beim Skisport und sind als solche von den Sportlern zu beachten. Eine solche Einordnung überträgt den vielfach von anderen Lebenslagen gewohnten Vertrauensgrundsatz auch auf die Skipiste. Skifahrer sollen darauf vertrauen können, dass sich andere Pistenbenützer an bestimmte Vorschriften halten und gegebenenfalls bei einer Nichteinhaltung auch gerichtlich verfolgt werden können. Damit wird ein gewisser Grad an Rechtssicherheit hergestellt.

Ob sich die Geltung der FIS-Regeln auch auf das Verhalten der Wintersportler im freien Skiraum erstreckt, ist fraglich, da sie vor allem für den Massenverkehr auf Pisten ins Leben gerufen wurden. Eine Ausdehnung auf viel befahrene Variantenrouten ist jedoch durchaus vorstellbar.

Abbildungen: Pistentourengeher © Sarah Markt; Pinbindung © DYNAFIT; Skitourengeher © Frank Stolle, Markus Jenewein - Tirol Werbung

FIS-Regel 2

Bei der Haftungsfrage bei Unfällen mit Skitourengehern kommt natürlich auch eine Mitverantwortlichkeit des Skitourengehers in Betracht, die gem. § 1304 ABGB immer dann eintritt, wenn auch dem Geschädigten ein Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Den Schädiger, in unserem Sachverhalt der Pistenhalter, trifft in diesem Fall nicht das alleinige Verschulden und es kommt stattdessen zu einer Schadensaufteilung. Abzustellen ist dabei auf das Verhalten, das schlussendlich zum Sturz führte, wobei hier vor allem erhöhte Geschwindigkeit zum Vorwurf gemacht wird.

Bei erkennbaren Gefahren ist die Geschwindigkeit dementsprechend anzupassen, ein generelles „Fahren auf Sicht“ fordert schon die FIS-Regel 2. Vom Pistenbenützer nach der letzten Bergfahrt wird eine erhöhte Verpflichtung zur Vorsicht und Wachsamkeit verlangt, die Eigenverantwortlichkeit ist ab diesem Zeitpunkt groß zu schreiben. Auf Skipisten, wo aufgrund schlechter Schneeverhältnisse apere Stellen hervorstechen, wird vom Skitourengeher beim Abfahren erhöhte Aufmerksamkeit verlangt.

Kommt ein Abfahrer auf solch einer Piste mit voller Geschwindigkeit zu Sturz, so sind allfällige Verletzungsfolgen dem Sportler aufgrund seiner fehlenden Geschwindigkeitsadaptierung selbst anzurechnen.

FIS-Regel 7

Die FIS-Regel 7 lautet: „Ein Skifahrer oder Snowboarder, der aufsteigt oder zu Fuß absteigt, muss den Rand der Abfahrt benutzen.“

Nach Regel 6 und 7 hat der Tourengeher also beim Aufstieg möglichst den Pistenrand zu nutzen, für Abfahrer schlecht einsehbare Stellen sind von ihm generell zu meiden. Das Queren der Piste sollte nur wenn unbedingt nötig und möglichst rasch stattfinden, zwischen den Aufsteigern ist dabei jeweils genügend Abstand zu halten. Das Aufsteigen nebeneinander könnte als Verstoß gegen Regel 7 subsumiert werden und ist daher zu vermeiden. Ein Verstoß gegen die FIS-Regeln kann bei grobem Fehlverhalten vom Skitourengeher zu einem Haftungsausschluss des Schädigers sowie allenfalls zu einer Haftungsteilung führen.

Die FIS-Regeln beinhalten außerdem ua ein kontrolliertes auf Sicht Fahren, Vorrangregeln um einen geregelten Verkehrsfluss zu gewährleisten sowie eine Ausweis- und Hilfeleistungspflicht. Für den anderen Sportler bedeutet dies vor allem die Sicherstellung der Möglichkeit, vor dem Tourengeher rechtzeitig stehenzubleiben.

Die FIS-Regeln

Ein Skifahrer oder Snowboarder, der aufsteigt oder zu Fuß absteigt, muss den Rand der Abfahrt benutzen.

FIS-Regel 7

Abbildung: Pinbindung © DYNAFIT

§ 12 POE

Etwas genauer formuliert ist der § 12 POE, der sich ausdrücklich aufsteigenden Skifahrern und Fußgängern widmet, die nur den Rand der Skipiste benützen dürfen. Die Skipiste als allgemeine Sportstätte soll demnach während des Skibetriebes von den teilnehmenden Wintersportlern ungehindert benützt werden können. Fußgänger sollte man grundsätzlich vom auf- und absteigenden Skifahrer unterscheiden, da diese die Piste mit ihren Schuhen wesentlich verunstalten und zerstören und sich somit eindeutig sorgfaltswidrig verhalten. Zudem stellen Fußgänger für den Skifahrer eine erhöhte Gefahr dar, da sie aufgrund ihres Schuhwerks oft stürzen oder sogar abrutschen. Eine zulässige Begründung für deren Benutzung lässt sich nur schwer finden, sie sollten daher von einer Pistenbegehung generell absehen.

Der auf- und absteigende Skifahrer ist zur Benützung der Skipiste berechtigt, wobei er sich möglichst am Pistenrand aufzuhalten hat.

Skitourengeher stellen aber generell keine größere Gefahr als ein auf der Piste stehender Skifahrer dar. Bei einer Kollision zwischen aufsteigendem Skitourengeher und abfahrendem Skifahrer wird es gem § 12 POE, der deutlich vorsichtiger formuliert ist als die FIS-Regel 7, darauf ankommen, ob durch den Skitourengeher im konkreten Fall bedeutend mehr Gefahren auf der Piste geschaffen worden sind. Pichler geht in seinen Ausführungen zum § 12 POE sogar noch weiter und deklariert einen Aufstieg nur am Randbereich bei weitläufigen Skipisten als durchaus unzumutbar. Zum selben Ergebnis kommt auch Peter Kleppe, der dabei enge und breitere Skipisten unterscheidet. Im weiten Gelände sei auch ein Aufsteigen in der Pistenmitte rechtmäßig. Ob die Autoren damals unter dem aufsteigenden Skifahrer auch den Pistenskitourengeher verstanden haben, ist allerdings fraglich.

§ 13 POE

Gem § 13 POE hat jedermann die an Skipisten angebrachten Zeichen, meist Warn- und Hinweistafeln zur Sicherheit auf der Piste, zu beachten. Mit diesen Tafeln kann der Pistenhalter seine Verkehrssicherungspflichten für die Skipiste vermindern und bestärkt gleichzeitig die Eigenverantwortung beim Pistenbenützer. Derjenige, der durch die Nichtbeachtung der Zeichen einen Unfall verursacht, gilt auch als dafür verantwortlich und hat straf- und zivilrechtliche Folgen zu befürchten. Vor allem das Zeichen, das auf eine gesperrte Piste hinweist, ist beim Rechtsproblem der Warnhinweise von großer praktischer Bedeutung. Wird eine klar ersichtlich gesperrte Piste befahren, so geschieht dies auf eigene Gefahr und unter eigener Verantwortung.

Verletzt oder tötet der Skitourengeher durch die unerlaubte Benützung einer gesperrten Abfahrt andere Wintersportler, so ist er nach den allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen für den Schaden zur Haftung verpflichtet. Auf die Nichterkennung der Gefahr kann sich der Haftende dabei aufgrund der aufgestellten Hinweistafeln nicht berufen. Dieser § 13 POE entspricht im Wesentlichen den Intentionen der FIS-Regel 8.

Der Pistenordnungsentwurf

Weitere Sorgfaltspflichten

Neben den FIS-Regeln existieren für Pistenskitourengeher daran angelehnte Sorgfaltspflichten, die erstmals beim Ötztaler Diskussionsforum 1997 postuliert wurden.

In diesen Verhaltensregeln werden die aufsteigenden Skitourengeher dazu angehalten, die Aufstiegsspur so zu wählen, dass abfahrende Wintersportler weder gefährdet noch behindert werden.

Dies beinhaltet im Regelfall eine Aufstiegsspur am Pistenrand, was je nach örtlichen Pistenverhältnissen nicht immer erfüllbar ist. Bei Engstellen sollte jedoch immer der Randbereich benützt und ein Nebeneinandergehen von mehreren Skitourengehern jedenfalls vermieden werden. Das Queren der Piste sollte in jedem Falle so rasch wie möglich von statten gehen, wobei mehrere Skitourengeher dabei genügend Abstand voneinander halten sollten. Da sich das Queren der Piste vor allem bei steilen Pisten nicht immer vermeiden lässt, sollte die Querung an möglichst übersichtlichen Stellen stattfinden. Der größere Abstand zum nächsten Tourengeher bei der Querung verringert die Behinderung von abfahrenden Wintersportlern.

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