Mehrere Dinge sind beim Bergwandern seit Jahren bekannt: Erstens ist Wandern/ Bergsteigen bei Einheimischen und Urlaubern die beliebteste Betätigung im Gebirge. Zweitens liegt es mit Riesenvorsprung auf Platz 1 der Bergsportdiziplinen mit den meisten Toten (in Österreich im Mittel 106, gefolgt von Piste/Skiroute mit 29 Toten). Drittens ist es auch jene Alpinsportart mit den meisten unterschiedlichen Schwierigkeitsangaben – nicht nur in den verschiedenen Alpennationen, nein, auch innerhalb von z. B. Österreich gibt es je nach Bundesland verschiedene offizielle Klassifizierungen, die nicht über die Landesgrenze hinausgehen. Sogar Experten verlieren hier den Überblick und haben ebenso wenig Durchblick, wie die Bergwanderer selbst. Die gute Nachricht: Im Rahmen des aktuell noch laufenden Interreg-Projektes DIGIWAY wurden – endlich – länderübergreifend und neutral zahlreiche verschiedene Wegeklassifikationen studiert, verglichen und gegenübergestellt. Nicht, um etwas neu zu erfinden, sondern um den Ist-Zustand darzustellen und einen für alle Nutzergruppen praxistauglichen Vorschlag für eine objektive und faktenbasierte Gegenüberstellung zu erarbeiten. Walter Würtl und Peter Plattner berichten für das Projektteam.
Walter Würtl
Alpinwissenschafter,
Sachverständiger, Bergführer
Peter Plattner
Fachautor, Sachverständiger,
ergführer
„DIGIWAY – Geodaten für Sicherheit am Berg“ ist ein Interreg-Projekt, in dem eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Landes Tirol (Gruppe Forst/Landschaftsdienst, Sportabteilung) einen Vergleich von Wegeklassifikationen durchgeführt und ein System zur Beurteilung von technischer Schwierigkeit bzw. Gefährlichkeit (Konsequenzen) entwickelt hat. Ausgearbeitet wurden die Inhalte von Lucia Felbauer, Klaus Pietersteiner, Christoph Kovacs, Christoph Höbenreich (alle Land Tirol) bzw. Walter Würtl und Peter Plattner (LO.LA Peak Solutions GmbH).
Mehr zu diesem Projekt auf europaregion.info.
Betrachtet man die ÖKAS-Unfallstatistik – noch unter dem Eindruck der tödlichen Unfallserie auf Österreichs Wanderwegen im Frühling und zu Sommerbeginn 2025 – wird schnell klar, wo Maßnahmen zu alpiner Unfallprävention am wirkungsvollsten umgesetzt werden könnten bzw. dringend notwendig sind. Von den 303 Alpintoten im letzten Betrachtungszeitraum (01.11.2023 bis 31.10.2024) verunglückten 120 beim Wandern: 40 Prozent aufgrund von Herz-KreislaufStörungen, 26 Prozent durch Sturz/Stolpern/Ausgleiten und 24 Prozent stürzten tödlich ab.
Schnell wird dann bei den sogenannten Unfallanalysen gebetsmühlenartig von mangelndem Können, schlechter Vorbereitung und fehlender Eigenverantwortung gesprochen. Das stimmt, nur ist es schwierig diese Punkte in einer Tourenplanung zu berücksichtigen, wenn es keine einheitlichen und konsistenten Bewertungen für Wander- und Bergwege gibt und/oder in der Planung nicht auf die verlässlichen Einschätzungen der Wegehalter zurückgegriffen werden kann.
In der Praxis muss man sich auf die mehr oder weniger zutreffenden Beurteilungen in Tourenplattformen – oder in der Führerliteratur – verlassen, sowohl was die Wegführung (Geometrie des Wegverlaufs) als auch die Wegeklassifikation (Einteilung Schwierigkeitsklassen) betrifft.
Werden aber weder die zu erwartenden Anforderungen mit ihren Schwierigkeiten (Eintrittswahrscheinlichkeit) noch die möglichen Konsequenzen (Schadensausmaß) gut kommuniziert, kann in der Planung kein Risiko (Eintrittswahrscheinlichkeit x Schadensausmaß) ermittelt werden. Niemand kann dann von einem Wanderer erwarten, eigenverantwortlich unterwegs zu sein. Denn Eigenverantwortung kann nur jemand übernehmen, der auch weiß, worauf er sich einlässt!
Eine (fast) babylonische Sprachverwirrung
Tatsächlich ist es kaum zu glauben, dass es im Bereich des Wanderns und Bergsteigens keine allgemein gültigen Klassifizierungen oder Schwierigkeitsbewertungen gibt. Was beim Klettern oder auf Klettersteigen völlig selbstverständlich ist, nämlich, dass es objektive, allgemein angewandte und vergleichbare Bewertungssysteme gibt, ist es beim Wandern und Bergsteigen ein unüberschaubares Stückwerk mit mehr oder weniger regionaler Gültigkeit. Dabei findet man offizielle (amtliche) Einteilungen auf gesetzlicher Basis ebenso wie Klassifikationen von alpinen Vereinen, Empfehlungen von Tourismusregionen oder „selbstgestrickte“ Bewertungen in den verschiedenen Tourenportalen.
Die Qualität ist dabei ziemlich variabel und reicht von sehr differenzierten und komplexen Systemen bis hin zu vielfach völlig ungeeigneten Versuchen, etwas Struktur in das Tourenangebot zu bringen. Wobei in diesem Zusammenhang „komplex“ nicht gleichbedeutend mit verständlich und gut ist!
Die Wahrheit ist, dass selbst erfahrene Wanderer und Bergsteigerinnen oft ins Grübeln kommen, wenn sie sich in der Vielzahl der angebotenen Klassifikationen zurechtfinden sollen. Kein Wunder, denn Bezeichnungen, Symbole und Farbcodes sind nicht einheitlich und so wird derselbe Wander- oder Bergweg je nach Region, Entwicklung, Urheber oder Marketingstrategie völlig unterschiedlich dargestellt und beschrieben. Diese babylonische Sprachverwirrung sorgt dafür, dass selbst gut gemeinte Warnhinweise und Empfehlungen unscharf oder missverständlich bleiben.
„Bereits 1984 beschloss die Tiroler Landesregierung die erste Richtlinie zur Schwierigkeitseinteilung des alpinen Wegenetzes und die Einführung des Tiroler Bergwege-Gütesiegels. Darauf aufbauend wurde 2000 das Tiroler Wander- und Bergwegekonzept erlassen. Seine Einfachheit und Klarheit haben sich bewährt. 2020 initiierte das Land Tirol das innovative Risikobewertungswerkzeug RAGNAR. Um das Bewusstsein um die Anforderungen und Gefahren auf Bergwegen weiter zu schärfen und grenzübergreifend vergleichbar darzustellen, hat das Land Tirol 2024/25 das Euregio-Projekt DIGIWAY initiiert und federführend mit den Systempartnern und mit Unterstützung von Experten umgesetzt. Die dabei erarbeitete Vergleichssystematik und die Ausgesetztheits- bzw. Absturzkonsequenzenkarte sind ein weiterer von Tirol ausgehender Meilenstein als Planungshilfe und zur Hebung der Sicherheit beim Bergwandern.“
Christoph Höbenreich, Bergsportsachverständiger im Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Sport
Die Vergleichstabelle
Eine der Aufgabenstellungen im Projekt DIGIWAY war es, auf differenzierte Art und Weise die wichtigsten Klassifikationen im Projektgebiet Tirol–Südtirol–Trentino unter Einbeziehung weiterer Referenzeinteilungen (z. B. aus der Schweiz und aus Österreich) gegenüberzustellen.
Diese auf den ersten Blick nicht besonders komplexe Aufgabe stellte sich insofern als recht schwierig heraus, da die Kriterien, welche den einzelnen Klassifikationen zugrunde liegen, in manchen Bereichen stark abweichen – tw. sind sie auch nicht vorhanden. Ein weiteres Problem ist, dass manche Bewertungen sehr detailgenau und umfangreich beschrieben sind, während andere mit wenigen Schlagworten und Zeilen auskommen.
Einen Sonderfall stellt Südtirol dar: Dort gibt es zwar eine grundsätzliche Einteilung der Wege auf Basis von Markierungsrichtlinien, auf eine Schwierigkeitsbewertung wird aber bewusst ganz verzichtet.
In der abgedruckten Vergleichstabelle (Abb. 1) werden die spezifischen Inhalte der jeweiligen Klassifikationen anhand der wichtigsten Kriterien – Weganlage, Anforderungen und Konsequenzen (Gefahren) – dargestellt. Dabei handelt es sich nicht um die Originaldefinitionen, sondern um eine möglichst aussagekräftige (semantisch vergleichbare) Zusammenfassung der zentralen Inhalte. In der in Ausarbeitung befindlichen OnlineGegenüberstellung wird man dann wie in einem „Produktvergleich“ zusätzlich auch die Texte der Originaldefinitionen sehen können, was aber mehr einer „sauberen Arbeitsweise“ als einem praktischen Nutzen geschuldet ist. Im Sinne der Nutzer und Nutzerinnen bzw. der Unfallprävention braucht es nämlich keine seitenlange Definition einer einzigen Wegekategorie, sondern möglichst wenige, dafür gut nachvollziehbare Punkte.
Wie ein erster Blick auf die Abbildung 1 zeigt, gibt es vier Hauptklassen, die jeweils mit den Farben blau, rot, schwarz und gelb hinterlegt sind. Wer die Tabelle genau studiert, stellt aber fest, dass die Abgrenzungen der einzelnen Klassen nicht immer vollkommen übereinstimmen, wie z. B. der „Blaue Bergweg“ bei ÖAV/DAV, der in seiner Definition die Begriffe „schmal“ und „steil“ beinhaltet. Weil diese Attribute in den anderen Definitionen aber erst in der nächsthöheren Stufe vorkommen, gibt es hier eine Überschneidung.
Trotzdem lässt sich ein gemeinsamer Nenner feststellen, der in der Vergleichstabelle ganz rechts dargestellt ist. Diese Spalte „Gemeinsamkeiten“ fasst folgende Punkte übergreifend zusammen:
→ Weganlage,
→ Anforderungen und
→ Konsequenzen (Gefahrenlage)
Achtung! Dieser „gemeinsame Nenner“ ist nicht als Vorschlag für eine allgemein gültige neue Klassifikation zu sehen – auch wenn es verlockend wäre. Er soll lediglich den gesamthaften Charakter einer vierteiligen Bewertungsstruktur darstellen.
Abb. 1: Zusammenfassung und Vergleich verschiedener Wegeklassifikationen. Die einzelnen textlichen Beschreibungen entsprechen nicht den tw. sehr ausführlichen – Originaltexten, sondern sind semantisch vergleichbar und inhaltlich so zusammengefasst, dass eine Gegenüberstellung möglich ist. Die Spalte „Gemeinsamkeiten“ subsummiert diese verwendeten Begriffe und Attribute zu einem „gemeinsamen Nenner“ (der bitte nicht als Vorschlag einer „neuen“ Klassifikation zu verstehen ist). Die ausführlichen Originalbeschreibungen inkl. Beispielfotos u. v. m. werden gerade in einem digitalen Vergleichs- bzw. Übersetzungstool für Wanderer programmiert und beim Alpinforum 2025 vorgestellt.
Quelle: DIGIWAY
Die zentralen Kriterien einer Klassifikation von Wander- und Bergwegen
Wenn man sich durch die verschiedenen Klassifikationen arbeitet und dabei die zugrundeliegenden Kriterien betrachtet, so findet man zusammengefasst folgende Punkte:
→ Technische Schwierigkeit
→ Konsequenzen (Gefährlichkeit)
→ Alpine Gefahren (Naturgefahren)
→ Orientierung
→ Ausrüstung
→ Kondition
Während man die ersten drei Punkte aus fachlicher Sicht, als relevante Kriterien zur Bewertung von Wanderwegen bezeichnen kann, sind die drei anderen Punkte zu hinterfragen:
Auf Wander- und Bergwegen sollte die Orientierung aufgrund der Weganlage (ein Weg markiert sich in erster Linie ja durch sich selbst bzw. durch Farbmarkierung (rot-weiß-rot) und durch Beschilderung (v. a. an neuralgischen Wegkreuzen) kein Problem sein. Alpine Routen – die ein wichtiger Bestandteil eines Wegekonzepts sind (als Abgrenzung zum Bergsteigen im freien alpinen Gelände) – können hier ausgeschlossen werden, da sie per Definition keine Wege im eigentlichen Sinn sind. Konsequenterweise könnte man daher eine Wegeklassifikation auch auf drei Klassen (einfach – mittel – schwierig) reduzieren.
Die Bedeutung und v. a. die Art der Ausrüstung hat sich beim Wandern und Bergsteigen in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark verändert. Im Besonderen was die Schuhwahl betrifft, denn ob man sich für einen knöchelhohen Bergschuh oder den Trailrunningschuh mit griffiger Sohle entscheidet, hängt von individuellen Faktoren ab und v. a. von den aktuellen Verhältnissen.
Die herrschenden Verhältnisse sind aber explizit ein Punkt, den man bei Klassifikationen unbedingt ausklammern muss, da man ja z. B. niemals einen sommerlichen Schneefall im Gebirge berücksichtigen könnte. Grundsätzlich ändert die Ausrüstung am Weg und seinen Eigenschaften nichts. Dass gutes und angepasstes Schuhwerk eine gute Idee ist, muss nicht extra erwähnt werden und ist fachlich gesehen „selbstverständlich“.
Die Kondition bzw. Fitness ist beim Wandern und Bergsteigen natürlich ein zentrales Kriterium, wenn es um die Tourenauswahl geht. Jede Tour setzt sich aber immer aus verschiedenen Wegsegmenten zusammen, die in der Regel von einem Kreuzungspunkt zum nächsten reichen. Die Klassifikation der Wege muss aus fachlichen Gründen jeweils in diesen Segmenten durchgeführt werden, die der Wanderer und die Bergsteigerin individuell zu einer Tour verbinden kann. Je nach Vorliebe endet dann die Tour schon bei der ersten Hütte oder erst am dritten Gipfel. Die Frage der Kondition ist also eine Frage der Tourenplanung und nicht der Wegeschwierigkeit oder der Exponiertheit.
Wie oben erwähnt bleiben also die technische Schwierigkeit, die Konsequenzen und die Naturgefahrenlage als zentrale Kriterien übrig. Diese sind allerdings unabhängig voneinander zu sehen.
Abb. 2: Die drei zentralen Kriterien zur Klassifizierung von Bergwanderwegen, die getrennt betrachtet bzw. bewertet werden müssen: Technische Schwierigkeiten, Konsequenzen und Alpine Gefahren/Naturgefahren.
Quelle: DIGIWAY
Wichtige Trennung der zentralen Kriterien
Um eine möglichst objektive Differenzierung von Wegen vornehmen zu können, braucht es zwingend die Trennung von technischer Schwierigkeit und Konsequenzen (Gefährlichkeit), da es in der Praxis Wege gibt, die zwar technisch leicht (einfach), aber sehr exponiert sind: D. h. ein Sturz ist unwahrscheinlich (geringe Eintrittswahrscheinlichkeit), aber ein trotzdem folgender Absturz kann tödlich enden (hohes Schadensausmaß). Durch diese Trennung gelingt auch die Übersetzung in eine klassische Risikobetrachtung.
Technische Schwierigkeit eines Weges
Bei der Beurteilung der Wegeschwierigkeit ergibt sich das Problem, dass dem Wegehalter eine Zuordnung über Einzelkriterien in der Praxis nicht zuzumuten ist, bzw. eine solche zu keinem befriedigenden Ergebnis kommt. Aspekte wie Wegunebenheit, Instabilität der Oberfläche, Längsneigung, Querneigung, Abgrenzung des Wegrands, Schritthöhe (Stufenhöhe), Auftrittsgröße, Oberflächenmaterial, … beeinflussen zwar die technische Schwierigkeit, können aber nicht erfasst werden.
Um nicht mit Neigungsmesser und Maßband die technische Schwierigkeit bestimmen zu müssen, kann dies auch einfach und intuitiv über die „sportmotorischen Anforderungen“ geschehen. Verkürzt gesagt kann man die technische Schwierigkeit auch über zentrale Fähigkeiten definieren (Abb. 2):
→ Einfache Wanderwege erfordern gute Alltagsfitness (Treppensteigen, sicheres Auftreten auf losem, unregelmäßigem Untergrund, selbständiges Aufstehen nach einem Sturz, …).
→ Mittelschwierige Bergwege erfordern alpinspezifische Fitness (Trittsicherheit, Gleichgewicht, Reaktionsfähigkeit, Kraft). Die Trittsicherheit ist dabei ein Schlüsselkriterium, doch auch die Reaktionsfähigkeit ist wichtig, da sie darüber entscheidet, ob man nach einem „Ausrutscher“ hinfällt oder abstürzt oder sich noch „fangen“ kann.
→ Schwierige Bergwege erfordern hohe alpinspezifische Fitness (Trittsicherheit, Gleichgewicht, Reaktionsfähigkeit, Kraft, Schwindelfreiheit, Konzentrationsfähigkeit und grundlegende klettertechnische Fähigkeiten). Aufgrund der Tatsache, dass schwierige Bergwege oft über lange Strecken sehr ausgesetzt (exponiert) verlaufen, sind Schwindelfreiheit und Konzentrationsfähigkeit hier entscheidend.
Konsequenzen
Ein wesentlicher Unterschied in der Bewertung von Wegen liegt in ihrer „Gefährlichkeit“. Fachlich gesehen sprechen wir hier aber lieber von Konsequenzen (Abb. 2). Ob ein Weg nämlich gefährlich ist oder nicht, hängt im Wesentlichen von der Person ab, die ihn begeht. Was für eine versierte Bergsteigerin – aufgrund ihrer hohen sportmotorischen und alpinspezifischen Kompetenz – kaum Gefahren birgt, ist für einen „Grobmotoriker“ bereits sehr gefährlich. Objektiv betrachtet geht es beim Weg bzw. beim Gelände neben dem Weg aber immer um die Konsequenzen, die ein Sturz bzw. Absturz mit sich bringt. Wenn man diese Konsequenzen betrachtet, ist es nämlich egal, ob ein guter Bergsteiger oder eine Anfängerin hinunterfallen, sie werden sich gleichermaßen verletzen. Der individuelle Begriff der Gefährlichkeit wird daher durch den objektiven Begriff der Konsequenzen ersetzt.
Im Projekt DIGIWAY war die Problemstellung herauszufinden, in welchem Gelände es zu geringen, erheblichen oder massiven (tödlichen) Verletzungen kommt und wie dies in der Praxis kommuniziert wird. Hier half ein Blick in die Unfallstatistik des ÖKAS, wo man auf Basis der Unfallerhebungen der Alpinpolizei eindeutig Neigungsgrenzen definieren konnte.
Mit Hilfe eines detaillierten digitalen Geländemodells hat Christoph Kovacs (wiederum vereinfacht gesagt) einen „Konsequenzenlayer“ (Abb. 3) programmiert und diesen auf alle Wander- und Bergwege in Tirol, Südtirol und dem Trentino ausgerollt. Anhand von vier Farben kann man auf einen Blick feststellen, mit welchen Konsequenzen bei einem Absturz zu rechnen ist (Abb. 2). Die Abstufung in vier Farben wurde bewusst gewählt, um die Zuordnung zu den Konsequenzen (gering, erheblich und massiv) nicht 1:1 zuzulassen, sondern auch Übergangsbereiche anschaulich darstellen zu können.
War es anfänglich nur der Versuch mit kartografischen Mitteln ein zentrales Merkmal über das gesamte Wegenetz hinweg anzudeuten, stellte sich bei den zahlreichen Evaluierungen im Gelände (u. a. am E5-Weitwanderweg) rasch heraus, dass die digitale Zuordnung extrem genau und fachlich gesehen korrekt ist.
Die Wegehalter müssen ihre Wege dadurch nicht mühsam „Meter für Meter“ in Sachen Konsequenzen bei einem Absturz beurteilen, sondern können diesen Karten-Layer als Grundlage nehmen, um ihn allenfalls in kleinen Bereichen zu korrigieren (was bislang aber nicht notwendig war).
Ein noch größerer Mehrwert hat dieser Konsequenzenlayer für jeden Wanderer und jede Bergsteigerin: Man sieht nicht nur, wo es eine „gefährliche“ Stelle gibt, sondern auch, ob die geplante Tour nur vereinzelt exponierte Passagen aufweist, oder es über lange Strecken hinweg ausgesetzt bleibt (Abb. 3).
Abb. 3: Der entwickelte Konsequenzenlayer visualisiert aufgrund der Steilheit des sich unter einem Wanderweg befindlichen Geländes die möglichen Folgen eines Absturzes (vgl. Abb. 2). Für den Wanderer ist sofort sichtbar, ob ein Wegsegment nur stellenweise ausgesetzt oder durchgehend exponiert ist – was für die Tourenplanung und mögliche alternative Varianten zentral ist. Abgebildet ist das Wandergebiet oberhalb der Höttinger Alm bei Innsbruck (Nordkette/ Karwendel) mit seinen vielen parallell laufenden Wegen.
Quelle: DIGIWAY
Naturgefahren
In Zeiten einer Klimakrise bzw. der Tatsache, dass man in den Bergen stets auch mit (objektiven) alpinen Gefahren konfrontiert ist, sollten diese Gefahren auch auf digitaler Ebene aktiv kommuniziert werden.
Es geht dabei nicht darum, „typische alpine Gefahren“ wie Steinschlag im Gelände auszumachen und diese in Kartenwerken einzutragen, sondern um eine bestehende und bekannte „erhöhte Naturgefahrenlage“ auch als solche zu kommunizieren (Abb. 2). Der pragmatische Ansatz in diesem Zusammenhang schaut so aus, dass nur solche Gefahren digital kommuniziert werden, die schon jetzt vor Ort (analog) mittels einer Warntafel (Abb. 4) kenntlich gemacht sind.
Die Idee dahinter besteht darin, den Nutzerinnen schon bei der Planung die Information zu geben, über die sie im Gelände stolpern werden – z. B. dass 100 Höhenmeter unterhalb des Gipfels mit erhöhtem Steinschlag zu rechnen ist – und nicht erst, wenn sie tatsächlich kurz vor dem Gipfel stehen.
Dabei wird der Naturgefahrenbegriff sehr weit gefasst und beinhaltet:
→ Tiere (Weidetiere, Schutzhunde, Raubtiere)
→ Waldgefahren (Astbruch, Baumsturz)
→ Gravitative Gefahren (Steinschlag, Blocksturz, Muren, Rutschungen)
→ Fluviatile Gefahren (Hochwasser, Murstoß)
Weiß man im Vorhinein, dass es am Weg eine solche erhöhte Naturgefahrenlage gibt, kann man sich entweder darauf einstellen, oder plant eine andere Tour.
Abb. 4: Warntafeln wie diese in Tirol verwendeten – weisen im Gelände auf erhöhte Naturgefahren hin. Für die Tourenplanung relevant wäre es, diese Hinweise valide und aktuell digital ausgespielt zu bekommen und nicht erst im Gelände während der Tour damit konfrontiert zu werden.
Quelle: bergwelt-miteinander.at
Zusammenfassung und Ausblick
Auch wenn es noch nicht der Weisheit letzter Schluss ist, konnten im Zuge des Projektes DIGIWAY erste wichtige Schritte in Sachen Vergleichbarkeit von unterschiedlichen Wegeklassifikationen gemacht werden. Ab Herbst 2025 soll ein entsprechendes Übersetzungstool online zur Verfügung stehen. Wer weniger digital unterwegs sein möchte, hat in der abgedruckten Vergleichstabelle (Abb. 1) schon einmal einen generalisierten Überblick einiger Wegeklassifikationen und kann sich damit ein Bild der zugegebenermaßen unübersichtlichen Lage machen.
Weil die Unfälle beim Wandern und Bergsteigen zunehmen, wird der Risikokommunikation zur Unfallverhütung noch mehr Bedeutung zukommen müssen. Hier können die entwickelte Konsequenzenkarte, die nachvollziehbare Darstellung der technischen Schwierigkeit sowie die Verortung von Naturgefahren sowohl für Wegehalterinnen als auch für Wanderer und Bergsteigerinnen ein nützliches Werkzeug sein.
Entscheidend ist aber, welchen Weg die großen Tourenportale einschlagen und ob es ihnen gelingen wird, zukünftig nur noch verlässliche (geprüfte) Routeninformationen mit fachlich gesicherten und aktualisierten Inhalten auszuspielen.
Links & Publikationen:

- Dieser Beitrag ist im ÖKAS Fachmagazin analyse:berg Sommer 2025 (Betrachtungszeitraum: 01.11.2023 bis 31.10.2024) erschienen.
- Chefredakteur: Peter Plattner (peter.plattner@alpinesicherheit.at)
- Abo Magazin analyse:berg Winter & Sommer
- Alpin-Fibelreihe des Kuratoriums
- Alpinmesse / Alpinforum 2025
- Kontakt ÖKAS:
Susanna Mitterer, Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit, Olympiastr. 39, 6020 Innsbruck, susanna.mitterer@alpinesicherheit.at, Tel. +43 512 365451-13