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Der Aufstieg mit Tourenski auf Skipisten ist seit mehr als 20 Jahren beliebt und hat sich zur Trendsportart mit steigenden Zahlen entwickelt. Im Vordergrund steht dabei nicht mehr die Ersparnis der Liftkarte. Es geht um körperliche Betätigung und Training in einem sicheren Rahmen ohne Lawinengefahr und die Möglichkeit, auch bei bescheidenen skitechnischen Fähigkeiten den Tourenskisport auszuüben, weil die Abfahrt auf einer präparierten Piste erfolgt.
In Skigebieten, die in der Nähe von Ballungszentren liegen, wie etwa im Grossraum Innsbruck, kam es Anfang der 2000er Jahre zu ersten Nutzungskonflikten. Auf Seiten der Seilbahnen stellten sich Haftungsfragen unter anderem im Zusammenhang mit der Präparierung der Skipisten mit Seilwinden, der Sprengung von Lawinen oder der gleichzeitigen Nutzung der Piste durch abfahrende und aufsteigende Skifahrer.

Abbildungen: Eindrücke von Pistentouren ©Nina Riener

Empfehlung des ÖKAS

Das ÖKAS, zu dessen Mitgliedern neben den alpinen Vereinen auch der ÖSV und der Fachverband der Seilbahnen gehören, hat sich auf Anregung des ÖAV schon Anfang der 2000er Jahre der Thematik angenommen. Es ist zur Überzeugung gekommen, dass bei gegenseitiger Rücksichtnahme eine Koexistenz möglich ist und dass für Seilbahnen bei Beachtung der Sicherungsempfehlungen ihres eigenen Fachverbandes auch kein Haftungsrisiko besteht. Das ÖKAS empfiehlt daher, Pistentouren zu tolerieren.

Darf man auf Skipisten mit Tourenski aufsteigen?

In der in Österreich und international übliche Widmung von Skipisten, also in den üblichen Erklärungen des Pistenhalters, ist das Bergaufgehen miteingeschlossen. Auch aus der FIS-Regel 7 und indirekt aus FIS-Regel 6 ergibt sich, dass das Aufsteigen auf Skipisten am Pistenrand erlaubt ist. Daher ist diese Frage klar zu bejahen.

Was muss ich beachten, wenn ich eine Pistentour unternehme?

Es gelten die 10 Empfehlungen des ÖKAS für Pistentouren.

Sie wurden 2006 von Experten des ÖKAS ausgearbeitet und sind inzwischen allgemein anerkannt. Von Gerichten werden sie bei Unfällen als Maß der einzuhaltenden Sorgfalt herangezogen. Darauf aufbauend hat das Land Tirol gemeinsam mit den Interessenvertretungen das Pistentourenmodell «Sicher und Fair» erarbeitet und das «Handbuch Pistentouren Tirol» herausgegeben. Hervorzuheben ist, dass Tourengeher nächtliche Sperren sowie temporäre Sperren während der Betriebszeiten zu beachten haben. Zu letzteren kann es wegen Lawinengefahr, grossflächiger Vereisung oder Wartungsarbeiten an Beschneiungsanlagen kommen. Sie gelten für aufsteigende und abfahrende Skifahrer.

10 Empfehlungen für Pistentouren
  1. Warnhinweise sowie lokale Regelungen beachten.
  2. Der Sperre einer Piste oder eines Pistenteils Folge leisten. Beim Einsatz von Pistengeräten – insbesondere mit Seilwinden – oder bei Lawinensprengungen, etc. kann es zu lebensgefährlichen Situationen kommen. Pisten können daher aus Sicherheitsgründen für die Dauer der Arbeiten gesperrt sein.
  3. Nur am Pistenrand und hintereinander aufsteigen.
  4. Die Piste nur an übersichtlichen Stellen und mit genügend Abstand zueinander queren.
  5. Frisch präparierte Pisten nur im Randbereich befahren.
    Über Nacht festgefrorene Spuren können die Pistenqualität stark beeinträchtigen.
  6. Bis 22:30 Uhr oder einer anderen vom Seilbahnunternehmen festgelegten Uhrzeit die Pisten verlassen.
  7. Sichtbar machen.
    Bei Dunkelheit oder schlechter Sicht Stirnlampe, reflektierende Kleidung etc. verwenden.
  8. Bei besonders für Pistentouren gewidmeten Pisten nur diese benützen.
  9. Hunde nicht auf Pisten mitnehmen.
  10. Ausgewiesene Parkplätze benützen und allfällige Parkgebühren entrichten.
Darf ein Skigebiet Pistentouren generell verbieten oder ein Entgelt verlangen?

Es gibt keine Bestimmung im österreichischen Recht, die diese Frage ausdrücklich behandelt. Soweit das Seilbahnunternehmen Eigentümer der Skipiste ist oder ein Dienstbarkeitsrecht zur Benutzung fremden Eigentums als Skipiste hat, darf es grundsätzlich das Betreten dieser Flächen auch untersagen oder für die Betretung ein Entgelt verlangen. Soweit der Grundsatz, dem gleich ein grosses ABER hinzuzufügen ist: Häufig ist ein solches Verbot nicht zulässig, weil ein Recht auf unentgeltliche Nutzung der Flächen zum Tourengehen besteht. Ein solches kann sich aus der Ersitzung einer sogenannten unregelmässigen Dienstbarkeit zu Gunsten einer Gemeinde oder eines alpinen Vereines durch mehr als 30-jährige Nutzung einer Route zum Aufstieg, aus landesgesetzlichen Vorschriften wie beispielsweise den §§ 1 und 5 des Kärntner Gesetzes zur Wegefreiheit im Bergland (1923), aus § 33 Forstgesetz («Wegefreiheit im Wald») oder Gewohnheitsrecht stützen. Erstaunlicherweise gibt es in Österreich dazu bisher keine Entscheidung eines Gerichtes, obwohl Sperren für Tourengeher rein privatrechtlicher Natur sind und von den Seilbahnen gegen jeden einzelnen Tourengeher durch Unterlassungsklage durchgesetzt werden müssten. Wer eine privatrechtliche Sperre der Seilbahn missachtet, begeht nämlich keine Straftat und kann daher von der Seilbahn weder «angezeigt» noch direkt zur Zahlung einer Buße verpflichtet werden. Die Gerichte würden in jedem Fall die örtlichen Begebenheiten berücksichtigen, was durchaus zu differenzierten Ergebnissen führen kann.
Klarer ist die Rechtslage teilweise im Ausland, etwa in Bayern. Das bayrische Verfassungsgericht hat 2016 ausgesprochen, dass eine von der Zugspitzbahn verhängte Pistensperre für Tourengeher unzulässig sei und dem in Art 141 Abs 3 der Bayerischen Verfassung normierten Grundrecht auf Naturkonsum widerspreche. Ein solches Grundrecht enthält die österreichische Verfassung nicht.

Zum Autor:

Dr. Robert Wallner ist als langjähriges Experten-Mitglied eine wesentliche Stütze des ÖKAS und steht stets beratend zur Seite. Von 1998 bis 2000 war er „Alpinstaatsanwalt“ in Innsbruck, bevor er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2024 als Leitender Staatsanwalt in Liechtenstein tätig war. Zudem ist er Mitglied des Rechtsausschusses der FIS sowie des Disziplinarausschusses des Österreichischen Skiverbandes, was seine Expertise im internationalen und nationalen Skirecht unterstreicht.

Im ÖKAS bringt er seine umfangreichen Erfahrungen in verschiedenen rechtlichen Bereichen ein und spielt eine zentrale Rolle bei der Lösung komplexer Rechtsfragen. Besonders hervorzuheben ist sein Engagement bei der Organisation des Alpinforums 2024. Hier war er maßgeblich an der Konzipierung des Programms beteiligt und moderierte die Veranstaltung mit Professionalität, was erheblich zum Erfolg des Forums beitrug. Robert Wallner bleibt eine wichtige Stütze des ÖKAS, insbesondere im Bereich der alpinen Rechtslandschaft.

Links & Publikationen:

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