Skip to main content
Pistenunfall-Aufnahme / Foto: Alpinpolizei LPD OÖ
Nach Kollisionsunfällen auf Skipisten oder Skirouten ergeben sich besonders dann Probleme, wenn sich die an der Kollision mitbeteiligte Person – oder aber Zeugen – vom Unfallort entfernen, ohne ihren Namen und Kontaktdaten bekanntzugeben (Unfallflucht – im allgemeinen Sprachgebrauch „Fahrerflucht“). Wie ist nun die Rechtslage bei Nichtanhalten nach einem Zusammenstoß bzw. „Fahrerflucht“ auf Skipisten und Skirouten?
Autor: Dominik Kocholl, Rechtsanwalt
Foto: Alpinpolizei – LPD OÖ

Was sagt das in Österreich geltende Recht zum Problemfeld „Fahrerflucht“ auf der Piste?

Die beiden einschlägigen FIS-Verhaltensregeln Nummer 9 und 10 sind keine Rechtsnormen. Ihre vertragliche Geltung in einem konkreten Skigebiet könnte sich aber über die allgemeinen Geschäftsbedingungen des Skigebietsbetreibers ergeben – etwas als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Um eine Verkehrsnorm handelt es sich aber weder bei der FIS-Regel 9, noch bei der FIS-Regel 10.

Der Pistenordnungsentwurf (POE) des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit, der von Dr. Pichler, Dr. Hiltscher und Dr. Reindl zusammengestellt worden ist, sieht in seinem Punkt 16 vor:

„Alle an einem Skiunfall beteiligten Personen haben anzuhalten, einander ihre Namen und Anschriften bekanntzugeben und den verletzten Personen die erforderliche und zumutbare Hilfe zu leisten.“

Hier scheinen gerade die oft so wichtigen Zeugen nicht vom Wortlaut der Regelung umfasst zu sein.

Allgemeine und besondere Hilfestellugnspflichten

  • Für die Statuierung der allgemeinen Hilfeleistungspflicht bedarf es keiner FIS-Verhaltensregeln und keines POE.
  • § 95 Strafgesetzbuch (StGB) sieht für die Unterlassung der Hilfeleistung eine Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten,
  • bei Todesfolge mit bis zu einem Jahr vor.
  • Diese allgemeine, jedermann im räumlich-zeitlichen Nahebereich treffende Hilfeleistungspflicht muss im konkreten Einzelfall zumutbar und die Hilfe offensichtlich erforderlich sein.

Enger ist der potentielle Täterkreis beim gravierenderen Delikt des „Imstichlassen eines Verletzten“ (§ 94 StGB), da diese Strafrechtsnorm nur den Verursacher oder Mitverursacher der Körperverletzung anspricht.

Die Freiheitsstrafenandrohung ist nach Deliktsqualifikationen abgestuft. Ein Verschulden an der Verletzung ist im Gegensatz zur Zumutbarkeit der Hilfe nicht erforderlich. Der Verursacher muss sich davon überzeugen, ob das Opfer hilfsbedürftig ist. Ansonsten gilt generell die Regel, dass ein Unterlassen nur dann zu einer Haftung führt, wenn eine besondere Rechtsbeziehung, nämlich eine Garantenstellung (vgl. § 2 StGB, z. B. Skilehrer, Ehegatten, Eltern etc.) vorliegt. Diese kann sich unter anderem aus einer Gefahrengemeinschaft ergeben, welche allerdings im Nahbereich organisierter Skiräume nicht vorliegen wird.

Was tun bei Hitze am Berg?

Abbildungen: Alpinpolizei - LPD OÖ

Anhalterecht statt Freiheitsentziehung

Eine weitere, für den hier zu erörternden Problemkreis relevante, Norm entspringt ebenfalls dem Strafrecht, genauer gesagt aus der Strafprozessordnung: § 80 Abs 2 StPO.

„Wer auf Grund bestimmter Tatsachen annehmen kann, dass eine Person eine strafbare Handlung ausführe, unmittelbar zuvor ausgeführt habe oder, dass wegen der Begehung einer strafbaren Handlung nach ihr gefahndet werde, ist berechtigt, diese Person auf verhältnismäßige Weise anzuhalten, jedoch zur unverzüglichen Anzeige an das nächst erreichbare Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes verpflichtet.“

Eine – zumindest fahrlässige – Körperverletzung ist eine solche strafbare Handlung, ebenso die konkrete Gefährdung der körperlichen Sicherheit.
Da die nächste Polizeidienststelle auf einer Skipiste, Skiroute oder Variante üblicherweise weit weg ist, spielt dieses Anhalterecht (vgl. Pichler/Holzer, Handbuch des österreichischen Skirechts (1987) 195 f) und private Festnahmerecht, insbesondere zur Identifizierung einer verdächtigen Person oder der Unterstützung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, eine wichtige Rolle.

Dieses Recht beinhaltet einen Rechtfertigungsgrund und nimmt – wie etwa auch die (ausnahmsweise) erlaubte Selbsthilfe – der dabei regelmäßig vorliegenden Freiheitsentziehung (§ 99 StBG) die Widerrechtlichkeit.

Bei der Ausübung dieses Anhalterechts kommt es lediglich darauf an, dass die geforderten „hinreichenden Gründe“ für den Anhaltenden ex ante vorzuliegen haben.

Anzulegen ist dabei ein objektiver Maßstab. Auch wenn sich nachträglich herausstellen sollte, dass die Annahme in Wahrheit unberechtigt war, bleibt es bei der Rechtfertigung. Dies gilt sogar dann, wenn die Annahme fahrlässig falsch war, handelt es sich bei § 99 StGB doch um ein Vorsatzdelikt (vgl. Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 (2017) § 99 Rz 15).

Überschreitungen des notwendigen Maßes (gelindestes noch zum Ziel führendes Mittel) können jedoch zur Strafbarkeit gemäß § 99 StGB führen. Straffrei bleibt also auch, wer irrtümlich einen derartigen Sachverhalt annahm.

Weiterführende Publikationen

Was ist daher zu tun, wenn man zu einem Unfall auf der Skipiste kommt?

  • In erster Linie sollte auf die Sicherheit aller Personen geachtet werden. Somit ist zuallererst die Unfallstelle abzusichern.
  • Anschließend wird den Verletzten Erste Hilfe geleistet sowie die Pistenrettung alarmiert. Bei all diesen Schritten raten wir auch andere Wintersportler um Unterstützung zu bitten.
  • In weiterer Folge ist außerdem wichtig, dass alle Personen – sowohl jene am Unfall direkt Beteiligten, als auch alle Zeugen – ihre Personalien bekannt geben bzw. austauschen. Dies sehen auch die Regeln des internationalen Skiverbandes (FIS) vor: Ausweispflicht.

Jeder Skifahrer, ob Zeuge oder Beteiligter, ob verantwortlich oder nicht, muss im Falle eines Unfalls seine Personalien angeben.

Was tun, wenn man Zeuge eines Kollisionsunfalles mit Fahrerflucht wird?