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Zahlen, Fakten – Veränderungen im Hochgebirge

Die geringe winterliche Schneedecke und die sich drastisch verändernden Begebenheiten in vergletscherten Bereichen veranlassen das Österreichische Kuratorium für Alpine Sicherheit (ÖKAS) bereits im Frühsommer auf die Hochtourenthematik einzugehen. Alexander Radlherr von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) bestätigt, dass Schneebrücken auf Gletschern in dieser Saison nur schwach oder gar nicht vorhanden sind und dies zu einer erhöhten Spaltensturzgefahr führt. Die Gletscher des Alpenraums sind z.T. schon in der frühen Hochtourensaison aper, auch stellt früh schneefreies Blockgelände ein zusätzliches Unfallpotential dar. Gletscherbäche haben bereits im Frühsommer ein Abflussverhalten wie im Hochsommer (normalerweise bietet die Schneeauflage einen verzögerten Abfluss bzw. dient als Puffer/Speicher). Dies kann beim Zustieg oder beim Begehen von Gletschern fatale Folgen haben. Vorsicht ist geboten und eine gute Tourenvorbereitung sowie ein Umdenken werden erforderlich“, erklärt Peter Paal, Präsident ÖKAS.

Hochtour – Zahlen

Insgesamt sind im Zeitraum 01.11.2020 bis 31.10.2021 103 Verunfallte (Tote, Verletzte, Unverletzte; Mittel 10 Jahre: 100) auf einer Hochtour in Österreich registriert: 2 Tote, 51 Verletzte und 50 Unverletzte.

Im Mittel von 10 Jahren enden 5 % der Hochtourenunfälle tödlich, 19 % mit schweren, 18 % mit leichten Verletzungen, 11 % mit Verletzungen unbestimmten Grades und 1 % Sonstiges. 47 % der Verunfallten (Tote, Verletzte, Unverletzte) sind im langjährigen Mittel unverletzt (2020/21: 49 %). Die Unfallursachen sind bei einer kombinierten Tour/Hochtour zumeist vielfältig und komplex. Eine Verkettung von unglücklichen Abläufen können zu einer misslichen Notlage führen (Blockierung).

Die Hauptunfallursache bei den tödlich verunfallten Personen auf einer Hochtour ist im Zehnjahresmittel Sturz/Stolpern/Ausgleiten mit 27 % der Unfälle, 12 % sind auf Lawinen, 8 % auf Spaltenstürze und je 4 % auf Herz-Kreislaufversagen und Steinschlag zurückzuführen, der Rest verteilt auf sonstige Unfallursachen. Bei 35 % der Unfälle ist die Ursache unklar. Dies spiegelt die Komplexität von klassischen Berg- und Hochtouren wider (Verkettung unglücklicher Abläufe). Etwa die Hälfte der Verletzten auf einer Hochtour sind im Jahr 2020/21 (54 %) und im Zehnjahresmittel (48 %) auf die Stolper-Sturz-Problematik zurückzuführen.

Gelände: Von den 103 Verunfallten (Tote, Verletzte, Unverletzte) sind im Zeitraum 2020/21 21 Personen auf Gletschern und 35 im Felsgelände (Grate) verunglückt. Von diesen 56 verunfallten Personen war etwa ein Drittel ohne seil unterwegs. Im Jahr 2020/21 befanden sich 44 % der verunfallten Personen im Abstieg, 36 % im Aufstieg, 6 % beim Abseilen, der Rest entfällt auf Sonstiges sowie Quergänge.

Bewegungsrichtung: Berücksichtigt man die Bewegungsrichtung im langjährigen Mittel, so ereigneten sich fast die Hälfte (48 %) der Unfälle im Abstieg, etwa ein Drittel im Aufstieg. Im Jahr 2020/21 sind auf einer kombinierten Tour 73 % der Verunfallten (Tote, Verletzte, Unverletzte) Männer. Bei Unfällen mit tödlichem Ausgang liegt im Mittel von 10 Jahren der Anteil an männlichen Opfern bei 92 %.

Alter: Die betroffenen Altersklassen der Verunfallten für den betrachten Zeitraum und im langjährigen Mittel liegen bei Hochtouren bzw. kombinieren Bergtouren in der mittleren Altersgruppe. Bei den 21- bis 50-Jährigen ergeben sich für die Saison 2020/21 71 %, das 10-Jahresmittel liegt bei 70 %. Etwa ein Viertel entfällt im 10-Jahresmittel auf die über 50-Jährigen und der Rest auf die Altersgruppe der unter 20-Jährigen.

Herkunft: In der Saison 2020/21 liegt der Anteil der verunfallten Personen aus Österreich bei 40 % (Mittel 10 Jahre: 39 %). Der Anteil der Hochtourengeher aus Deutschland liegt für das Jahr 2020/21 bei 33 % (Mittel 10 Jahre: 38 %) und Tschechien 9 % (Mittel 10 Jahre: 4 %). Der Rest verteilt sich auf andere europäische Länder.

Hochtour – Was gilt es zu beachten?

Was sind mögliche Gründe für Unfälle im Abstieg oder Aufstieg auf einer kombinierten Tour/Hochtour? Wie kann man präventiv handeln?

Mögliche Gründe
  • Mangelnde oder nachlassende Konzentration, Unachtsamkeit, allgemeine Unwissenheit
  • Ermüdung der Muskulatur (Energieeinbruch)
  • Einfädeln oder Verhaken der Steigeisen in losen Bändern, Hosenbeinen u.a.
    (Konzentration, ungewohnte Fortbewegungstechnik mit Steigeisen, …)
  • Dehydrierung nimmt mit der Länge der Tour zu (Schwindel, Kopfweh,
    Unwohlsein, Wanken, Konzentration nimmt ab)
  • Personen sind nicht trittsicher oder schwindelfrei (v.a. in komplexem Gelände wie Gratgelände und/oder Schrofengelände)
  • Unsicherheit bei Begehung von vereistem oder schneebedecktem Felsgelände
  • Seilfrei unterwegs (Konsequenz/Strategie: Gehen am kurzen oder langen Seil oder Sicherung von Fixpunkten)
  • Frisch ausgeapertes Gletschervorfeld (schuttbedeckter Gletscherschliff)
  • Strahlenschutz (Haut, Augen)
  • Keine aktuellen Informationen (alte Kartengrundlage bei der Planung, Gletscherstände, Übergänge… z.T. sind Touren oder Routen nicht mehr begehbar)
  • Intensive Niederschlagsereignisse und daraus resultierende Gefahr im Abflussbereichen aufgrund von wenig Schnee (fehlende Pufferwirkung)
  • Allgemeiner sehr trockener Boden durch wenig Niederschlag im Winter und Frühjahr sowie durch lange anhaltende Föhnperioden
Prävention, Tipps, Vorbereitung:
  • Angebote für Aus- und Fortbildung der alpinen Vereine nützen
  • Überlegung/Strategie zur richtigen Seilhandhabung
  • Üben und Festigen der Kenntnisse mit Steigeisen (und diese auch mitnehmen)
  • Rettungstechniken sowie Verhalten im Notfall üben (Spaltenbergung, Rutschversuche im Schnee – am besten durch professionelles Coaching)
  • Gezielte Vorbereitung vorab (Kraft- und Ausdauertraining)
  • Akklimatisierung (Vorbereitungstour, genügend Zeit nehmen)
  • Optimale Trinkwasserversorgung im Vorfeld und auf Tour
  • Die Wahl von zuverlässigen Informationsquellen über Verhältnisse und Wetter (Wetterdienste, Niederschlagsradar etc.)
  • Kompetente Begleitung bzw. Inanspruchnahme einer professionellen Führung (ideal für Einsteiger, aber auch für Profis zur Auffrischung)
  • Wahl eines früheren Zeitpunkts für Hochtouren, Juni/Juli (da z.T. noch schneereicher und weniger ausgeapertes Felsgelände)

Zusammenfassung – Tipps ÖKAS & Partner

Gerade Einsteigern ist aufgrund der Komplexität und der hohen Anforderungen einer kombinierten Tour/Hochtour (Beherrschung aller Techniken im Schnee, Eis sowie Fels) eine professionelle Begleitung/Führung oder eine Aus- und Fortbildung in alpinen Vereinen zu empfehlen, so Walter Zörer, Präsident des Österreichischen Bergführerverbands.

 

Die Verwendung des Seils soll gut überlegt sein und im Fall von mangelnder Kompetenz an Profis abgegeben werden. Regelmäßige Flüssigkeits- und Energiezufuhr ist essenziell, ebenso wie gezielte Vorbereitung (Konditions- und Ausdauertraining). Das Einholen aktueller Informationen über Wetter und Tourenverhältnisse gibt Klarheit über die Machbarkeit des Vorhabens und sollte möglichst detailliert erfolgen. Eine gezielte Vorbereitung durch Kletter- und Eiskletterkurse, Aus- oder Fortbildung bei alpinen Vereinen oder die Begleitung durch geprüfte Bergführer sind weitere Optionen um den „Abenteuerfaktor“ auf Hochtour möglichst in Grenzen zu halten.

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